Einsatz von Stimme und Klang in der Naturheilpraxis

 

Die Praxis Frank Schäffer im oberbayrischen Bad Feilnbach ist seit 2012 als „Singende Gesundheitseinrichtung“ vom Verein Singende Krankenhäuser e.V. zertifiziert. Dieses Netzwerk engagiert sich international für die Verbreitung heilsamer und gesundheitsfördernder Singangebote an Krankenhäusern, Altersheimen und Gesundheitseinrichtungen. Die Vision ist ein Gesundheitswesen, in dem die Menschen die heilsame Kraft des Singens nutzen und erleben können.

 

Dieser Beitrag beschreibt, wie in einer naturheilkundlich ausgerichteten Praxis neben klassischer Homöopathie und cranio-sacraler manueller Behandlung auch Stimme und Klang einen wertvollen Beitrag zur Behandlung von chronischen Schmerzzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen liefern können. Die hier beschriebenen Methoden und Wege wurden größtenteils intuitiv entwickelt. Dabei kommt der seelischen und körperlichen Integrität der Klienten größte Aufmerksamkeit zuteil.

 

Der Beginn: Gesang und Klang in Kliniken

 

Eine wachsende Anzahl von Schmerz- und Rehakliniken im Umland zeigt sich für die Idee zum Einsatz von Stimme und Klang aufgeschlossen. Besonders als ergänzende Therapie für chronische Schmerzzustände finden Klangtherapie und Singen im Kreis wachsenden Anklang. Die anfängliche Skepsis der Patienten dieser ungewohnten Behandlungsform gegenüber weicht meist einer tiefen Freude. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit ergänzt die physiotherapeutischen und orthopädischen Angebote in oft unerwartetpositiver Weise. 

 

Das bei manchen Klienten in Kindheit und Jugend als traumatisch erlebte Singen wandelt sich in wohlwollend erlebter Gemeinschaft zu einem Quell von Solidarität und Bereitschaft zur Öffnung. Dieser psychische Aspekt verstärkt die bereits anerkannten medizinischen Wirkungen wie vertiefte Atmung, Entspannung, Anstieg der Immunkräfte und mehr. Eindrückliche Beschreibungen finden sich auf www.singende-krankenhauser.de.

 

Neben dem klassischen Setting der möglichst aktiven Teilnahme mit der eigenen Stimme als Instrument entstand ein weiteres Format. Über die Arbeit mit tibetischen Klangschalen wurde eine Klangentspannung mit geführter Meditation entwickelt. Anders als im Singkreis liegen die Patienten als Gruppe hier idealerweise auf weichen Matten in einem geschützten Raum. Sie erleben durch die sphärisch anmutenden Klänge und die Kraft der eigenen inneren Bilder eine oft nie erlebte Dimension der Ruhe und Entspannung. Auf Basis der Rückmeldungen der Klienten wurde dieses Setting erweitert und durch zusätzliche Instrumente ausgebaut. Mittlerweile hat sich die Klangtherapie zu einem weiteren anerkannten Bestandteil der Therapie bei chronischen Schmerzen entwickelt.

 

In der Praxis: Singkreise und individuelle Klangtherapie

 

Das Singen wird in der Naturheilpraxis als zusätzliche Gruppentherapie genutzt, um die heilsamen Wirkungen von Stimme und Klang ohne Leistungsdruck und Zwang für Entspannung und bewusstere Atmung erfahrbar zu machen. Durch das zusätzlich oft intensiv wahrgenommene Gefühl von Gemeinschaft und angenommen Sein hat sich der Singkreis für viele Teilnehmer als wertvoller Part der persönlichen Gesundheitsvorsorge etabliert.

 

Zusätzlich zum Singen kommt in der Praxis auch die Arbeit mit Klangschalen zum Einsatz. Dabei werden diese auf und um den bekleideten Körper des Klienten positioniert. In einer geometrisch angelegten Reihenfolge spielt der Therapeut die aufeinander eingestimmten Schalen an. Unterschiedliche Rückmeldungen wie zum Beispiel zu unmittelbarer Kontakt, Probleme bei Tinnitus-Patienten und Druckgefühl durch das Auflegen der Schalen zogen weitere Praxisforschungen nach sich.

 

Die Optimierung: Das Klangbad mit matching instruments 

 

Ermutigt von der tief entspannenden Wirkung der Klangschalenbehandlung entstand auf der Suche nach weiteren Potenzialen das Klangbad. Hierzu wird der Patient eingeladen, sich bequem in Rückenlage auf der Behandlungsliege zu betten. Kopf- und Kniekissen sichern eine länger einhaltbare, geborgene Position. Die gerade Linie von Kopf, Hals und Wirbelsäule ist dabei von großer Bedeutung. Die Hände legt der Patient auf seine Leiste oder Brust.

 

Als Vorbereitung lenkt der Therapeut seine Aufmerksamkeit auf seinen eigenen Körper. Durch eine geführte Meditation wird dieser Effekt auch dem Klienten angeboten. Die Instrumente kommen nun nach einer intuitiv gewählten Reihenfolge zum Einsatz. Die Klienten berichten von einer fast augenblicklich eintretenden tiefen Entspannung, die meist als selbst erzeugt und nicht von außen induziert empfunden wird. 

 

In diesem Zustand wirken geführte Meditationen durch die vibroakustisch wahrgenommen Reize besonders tief. Regulationsleistung des Organismus werden messbar aktiviert und Dysbalancen ausgeglichen. Die internationale Gesellschaft für Vibro- Akustik (ISVA) berichtet in diesem Zusammenhang über krampflösende und muskelentspannende Wirkung, Steigerung der Durchblutung in den äußeren Gliedmaßen und erkennbare aber variierende Wirkung auf das vegetative System.

 

Zum Einsatz kommen aufeinander eingestimmte Klanginstrumente und die Stimme des Therapeuten für ein Summen oder spontane Tonfolgen. Die Instrumente sind – neben der Gitarre – weitgehend unbekannt und werden hier kurz vorgestellt:

 

Das Sandalphon ist ein therapeutisches Klanginstrument. Die Bauform zeigt ein vielsaitiges Monochord, dessen Töne in Grundton, Quinte und Oktav gestimmt sind. Der Klang hat eine sehr lichte, ätherische wie auch erdende Qualität. Wenn der Anwender die Saiten anstreicht, spürt der Beschwingte eine feine Vibration und wird sanft vom Klang umhüllt. Überall, wo intensives seelisches und körperliches „sich Spüren“ gewünscht ist, kann das Sandalphon zur individuellen Behandlung auch auf den Körper aufgelegt werden. Es überträgt dabei seine zahlreichen Obertöne über einen konkav gewölbten Boden direkt auf den Körper. Das ganzkörperliche Klangerleben wirkt tief entspannend, lösend und zugleich stimulierend.

 

Die RAV-Vast erinnert in ihrer Bauweise an die Handpans in der Tradition der Hang. Das Instrument ist pentatonisch gestimmt und lässt sich auch von musikalisch unerfahrenen Patienten ohne großen Lernaufwand spielen. Die sphärischen Klänge versetzen den Zuhörer fast augenblicklich in einen meditativen Zustand (Alphazustand). Dabei unterstützt die RAV als Begleiter den Weg in diesen Zustand tiefer Entspannung und Heilung. Der metallische Klang wird vielfach weniger dringlich als der von Klangschalen empfunden – eine klangliche „Überdosierung“ wird hier weitgehend vermieden. Als fest gestimmtes Instrument bestimmt die RAV-Vast die Stimmung der übrigen stimmbaren Klangkörper. 

 

Als weiteres Saiteninstrument ergänzt die afrikanische Jägerharfe n‘Goni das Ensemble. Auch hier sorgt die pentatonische Stimmung für ein müheloses Spiel ohne große Übungsanstrengung.  Äußerlich ähnelt das Instrument einer Laute, wobei eine mit Ziegenfell bespannte Kalebasse den Resonanzkörper bildet, auf dem die Saiten über einen Steg in zwei Reihen angeordnet sind. Der fragile Bau dieses Naturinstruments spiegelt sich in den sanften, ätherisch anmutenden Klangwelten wieder. Selten traf ich auf ein Instrument, das solch eine tiefe und schwebende Sanftheit vermittelt und diese unmittelbar auf den Zuhörer überträgt. 

 

Der Einsatz von Klanginstrumenten dieser Art wurde im Rahmen von Forschungsprojekten an verschiedenen Universitäten untersucht – bei Schwangeren, bei onkologischen Patienten und im Palliativbereich.

 

Die Ergänzung: Spielen in Gemeinschaft mit matching instruments

 

Als interessante weitere Nutzung der aufeinander eingestimmten Instrumente entstand ein gemeinschaftliches Spiel mit einem oder mehreren Klienten. Ähnlich wie beim Singen gilt es hier einen initialen Widerstand mit Hinweis auf die intuitive Spielweise zu umgehen. 

 

Die Patienten lassen spielerisch einzelne Töne oder Akkorde erklingen und sind durch die gemeinsame Stimmung auch im Ensemble mit dem Therapeuten und weiteren Beteiligten fast unmittelbar in der Lage, einen harmonisch wirkenden Gruppenklang zu erzeugen.

 

Es ist immer wieder tief bewegend, den Wandel von Skepsis zu Überraschung und später zu kontemplativer Haltung beizuwohnen. Gerade in Situationen, in denen das emotionale Ausleben lange gehegter Emotionen eine Gesprächstherapie schwierig bis unmöglich macht, zeigt dieses Setting eine Chance zur Wandlung und Heilung alter Verletzungen und Glaubenssätze auf. Weitergehende medizinische Behandlungen gedeihen auf diesem Boden aus meiner Erfahrung leichter und tiefgründiger.

 

Aus: Die Naturheilpraxis 01/2019